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Samstag, 12. Januar 2013

Erstes Zwischenfazit


Eigentlich wollte ich passend zum Jahreswechsel ein erstes Zwischenfazit schreiben, ich bin ja jetzt fast ein halbes Jahr in Nepal und solche Zeitpunkte sind ja immer ganz gut, um mal zurück zu schauen und zu überlegen, was man eigentlich alles erlebt hat. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass mein Urlaub in Deutschland fast stressiger war als meine Arbeit in Nepal, es gab so viel zu erledigen und so viele Leute zu besuchen, dass wir kaum zur Ruhe gekommen sind. Also jetzt ein wenig verspätet und vorm Kamin in Kaule sitzend…
Wie gesagt, fast ein halbes Jahr sind wir schon hier, und es ist so viel passiert, dass ich manchmal gar nicht glauben kann, dass es nur sechs Monate gewesen sein sollen. Noch viel unglaublicher erscheint mir, dass ich letztes Jahr um diese Zeit noch keine Ahnung hatte, was 2012 für mich bringen sollte und ich immer noch eine Bewerbung nach der anderen geschrieben habe, weil einfach nichts klappen wollte. 

Kaule früh morgens

Am Anfang war die Regenzeit. Miriam und ich haben mit Blutegeln und der ständigen Feuchtigkeit gekämpft und ich habe mir angewöhnt niemals, wirklich niemals, egal wie blau der Himmel aussieht ohne Regenschirm vor die Tür zu gehen. Ich habe die Landwirte kennengelernt, mit denen ich die nächsten drei Jahre zusammenarbeiten werde und habe realisiert, dass ich jetzt wirklich in einer komplett anderen Kultur lebe. Die Affen haben schnell angefangen, zu nerven und ich musste mehrmals Lehrgeld zahlen, wenn ich doch mal kurz die Küchentür aufgelassen hatte. Plötzlich hatte ich auch eine Katze, mit der ich mich erst mal anfreunden musste. Mit den ersten Volontären hatte ich nicht so viel Glück, der erste ist mir weggelaufen, weil er andere Erwartungen an die Arbeit hatte und die nächsten hatten Angst vor Insekten. Trotzdem war die Gesellschaft sehr schön und Miriam und ich haben es genossen, neue Leute kennenzulernen. Miriam hat sich immer mehr bei Pemas Familie eingewöhnt und hat Furba und Tshering lieben gelernt. Schnell hat sie angefangen, Pemas Mutter Mami zu nennen, ich bin Mama… 

Tshering und Miriam

Pemas Familie
Kaule von oben
Mit der Zeit wurde das Wetter besser, die Volontäre zuverlässiger und es kam eine gewissen Routine in meine Arbeit. Jetzt war ich nicht mehr vor jedem Landwirtetreffen nervös, ich konnte ohne Probleme einen Teebesuch auch ohne Übersetzer überstehen und habe gelernt, mit einfachen Mitteln Wasserleitungen, Zäune und alles Mögliche andere zu reparieren. Was blieb waren die nervigen Affen, die sich mit der Zeit als Hauptproblem hier herauskristallisiert haben. Außerdem habe ich vier Monate lang verzweifelt versucht, Nepals Bürokratie zu besiegen und eine Baugenehmigung für ein Gewächshaus zu bekommen, was sich dann leider als unmöglich herausgestellt hat. Ich verbuche das im Nachhinein als Erfahrung und werde versuchen, daraus für die Zukunft zu lernen. 

Meeting mit den Landwirten im Demozentrum



Frühstück mit ganz tollen Volontären :-)
Interview mit Jas Ram
Interview mit Samita


Ich habe die Nepalis als unglaublich nette Menschen kennen gelernt, herzlich und offen. Ich habe mich selten so schnell willkommen und angenommen gefühlt, auch in Ecuador habe ich dies nie so erlebt. Vor allem in Bezug auf Miriam bekomme ich so viel Unterstützung, dass ich einfach nur jeden Tag froh darüber bin, hier her gekommen zu sein. 

Für mich das tollste Kind der Welt
Ich habe gelernt, dass Motorradfahren toll ist, dass Nepali lernen schwieriger ist als ich dachte und dass man viele Dinge erst wieder richtig wertschätzen kann, wenn man einmal auf sie verzichten musste. Ich habe erfahren, dass meine Tochter wahnsinnig anpassungsfähig ist und dass ich mir kein perfekteres Kind wünschen könnte, das all meine Abenteuer mit mir angeht und immer das Beste daraus macht. Miriam ist sehr glücklich hier, hat viele Freunde, lebt wie auf einem kleinen Bauernhof mit vielen Tieren zusammen und lernt drei Sprachen. Was vielleicht eine Überforderung sein könnte nimmt sie als Herausforderung, und sie macht es mir so leicht. Ich bin unendlich dankbar dafür und glücklich darüber, so eine tolle Tochter zu haben. 
 
Natürlich gab es auch einige Dinge, die nicht so schön waren. Wie gesagt, die Bürokratie macht mich manchmal echt fertig, einige Male hatte ich auch das Gefühl, alles was ich mache ist sinnlos und oft war die Arbeit auch einfach sehr anstrengend. Trotzdem bin ich hier sehr glücklich, weil ich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit Ruhe gefunden habe. Ich fühle mich nicht mehr so getrieben, nicht mehr so oft grundlos unzufrieden. Ich kann es nicht besser beschreiben, aber ich fühle mich wirklich so, als wenn ich jetzt mehr in mir ruhe, und es war Zeit, dass das passiert. 

Ich habe mich selten an einem Ort so schnell so willkommen gefühlt
Natürlich habe ich auch einige gute Vorsätze für das neue Jahr gefasst. Ich möchte auf jeden Fall mehr Nepali lernen, damit ich nicht mehr so viel mit Händen und Füßen reden muss. Ich möchte mehr Urlaub machen, um auch einmal etwas anderes von Nepal als Kaule und Kathmandu zu sehen. Und ich habe mir fest vorgenommen, öfters hier zu schreiben :-).
Ich freue mich auf die nächsten zweieinhalb Jahre hier, ich habe viele Pläne, Ideen und vor allem viel Energie. Ich bin mir sicher, Miriam und ich werden hier weiterhin eine wundervolle Zeit verleben.

Wir freuen uns auf alles, was noch kommt!