Nach unseren vier Tagen in
Toronto sind Miriam und ich nach
Denver geflogen, um dort meine Freundin Laura zu besuchen. Laura und ich haben
uns kennengelernt, als ich nach dem Abitur durch Südamerika gereist bin, wir
haben dort zusammen in Guandera gearbeitet und danach Bolivien zusammen
erkundet. Obwohl das mittlerweile zehn Jahre her ist (oh Gott, ich werde echt
alt…), haben wir es geschafft den Kontakt zu halten und jetzt stand ein Besuch
in Denver mit auf unserem Reiseplan.
Laura hat zwei Kinder, Aida (7) und Theo (5), so dass Miriam
direkt nach unserer Ankunft mit den beiden ins Kinderzimmer verschwunden ist
und nicht mehr gesehen ward… Ich glaube, das ist das einzige das ihr auf
unserer Reise wirklich fehlt: andere Kinder zum Spielen. Ich glaube, auf Dauer
bin ich dann doch zu rational für ihre Fantasiespiele (Miriam: Du wärst die
Schneeköniginmama und ich die Schwester, und da ist die Hexe! Ich: Wo ist die Hexe?
Miriam: Ist doch egal, wir spielen das jetzt. Ich: Was muss ich denn machen?
Miriam: Ach Mama…).
Als wir überlegt haben, wie wir unsere Tage in Denver
verbringen könnten, hat Laura vorgeschlagen, zur Stockshow, also zur Viehschau
zu gehen. Dann ist mir wieder mal mein Sarkasmus dazwischengekommen, weil ich
mich ein bisschen darüber lustig gemacht habe, eigentlich aber auf jeden Fall
Lust hatte. Laura hat sich aber wohl gedacht: Ach, diese Europäer, die wollen
bestimmt nicht zu einer Viehschau., also war das erst mal von der Agenda. Zum
Glück konnten wir unsere interkulturellen Verständigungsschwierigkeiten dann
aber überwinden und haben es doch noch hinbekommen, mit der Konzession dass ich
– wenn ich einen entdecke – auf jeden Fall ein Foto von einem Menschen mit „I
support Trump“ Button machen darf.
Wir sind dann also zu fünft los, und es war echt ein toller
Tag. Unser Parkplatz war ein wenig außerhalb, um also zum Gelände zu kommen,
mussten wir über einen Laufsteg über den Bereich laufen, in dem die Bullen zum
Verkauf gehalten wurden, wo also wirklich der Markt stattfand. Und damit die
auch gut verkauft werden konnten, mussten die natürlich auch hübsch gemacht
werden, also wurde einshampooniert, gefönt, mit der Nagelschere das Haar
getrimmt und so weiter und sofort. Ich habe mich gewundert, dass wir nicht
jemanden gesehen haben, der die Hufe lackiert hat. Aber die Tiere sahen
wirklich wunderschön aus, wenn man als Vergleich nur das magere Vieh aus Nepal
hat, dann denkt man wirklich man sei in einer anderen Welt. Und was auch
deutlich wurde, ist dass alle Rancher eine wirklich tiefe Verbindung zu ihren
Tieren hatten und genau wussten, was wann passiert und passieren muss.
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Mit viel Liebe einshampooniert... |
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Vier Männer, eine Kuh - ob da wohl alle Haare gleich lang geworden sind? |
Den Tag haben wir dann auf dem Gelände verbracht, wir haben
viele weitere Tiere gesehen, waren im Streichelzoo (Zitat Miriam: Das ist ja
wie zu Hause hier…), Miriam war Ponyreiten, wir haben Fotos mit Cowgirls
gemacht und natürlich auch Hamburger gegessen… Wir hätten gar nicht gedacht,
dass wir uns den ganzen Tag dort aufhalten könnten, aber die Zeit verging dann
so schnell, dass es plötzlich Abend war. Die zwei Highlights des Tages waren
definitiv das „Mutton-Busting“ und das Rodeo abends, zu dem wir Karten hatten.
Mutton-Busting bedeutet, dass Kinder auf wilden Schafen reiten,
also ein Mini-Rodeo. Es war echt spannend das zu sehen, auch wenn die
Lautsprecher das Geschrei der Kinder kaum übertönen konnten… Ich glaube, als
sechsjährige hätte ich auch Angst gehabt, auf so ein bockendes Schaf zu
steigen, und oft sind die Kinder beim Runterfallen auch getreten worden. Ich
hatte auch keine Ahnung, dass Schafe so bocken können (Hmm, jetzt wo ich es
schreibe, vielleicht kommt das Wort „Bocken“ ja vom Schafsbock… könnte passen)
und so hoch springen können.
Anschließend sind wir dann zum Rodeo. Wir sind ein bisschen
zu spät gekommen, so dass der erste Ritt schon stattfand, als wir die Arena betreten
haben und ich leider die Nationalhymne verpasst habe (das wäre wohl meine beste
Chance gewesen, mich über amerikanischen Patriotismus lustig zu machen…), aber
wir waren direkt in den Bann gezogen. Sogar Miriam hat total konzentriert zwei
Stunden lang zugeguckt, wie Männer von Bullen gefallen sind und hat ganz
interessiert jedes Mal gefragt, wie denn der Bulle jetzt heißt und was da
passiert. Sie hat aber nicht verstanden, warum einige Bullen nach dem Abwerfen
nochmal eine Runde in der Arena gedreht haben und von den Reitern in der Ecke
zum Ausgang getrieben mussten, und andere nicht. Wenn doch einige so wütend
waren, dass sie nicht zurück in den Stall wollten, warum dann andere nicht… Ich
hab dann irgendwann gesagt, dass ich glaube, dass die was Leckeres im Stall zu
fressen bekommen, das hat sie dann erst mal zufrieden gestellt. Später in einer
Pause wurde aber ein Viehtrieb mit Kälbern nachgestellt, und danach hatte
Miriam selbst ihre Antwort: Die Bullen wollten schnell zurück zu ihren Kälbern
und sind deshalb zügig abgehauen :-).
Dieser Viehtrieb war auch wirklich faszinierend. Drei Reiter
mussten aus einer Gruppe von Kälbern die alle unterschiedliche Nummer hatten,
drei Kälber mit der gleichen Nummer (die jeweils am Anfang genannt wurde)
separieren und in eine Umzäunung treiben. Die Pferde und ihre Reiter haben so
sehr eine Einheit gebildet, das war echt unglaublich. Ich wusste gar nicht,
dass sowas so geht.
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Der tanzende Rodeoclown in Blau und Gelb |
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Kann man nicht so gut erkennen, aber das ist das Bild mit dem Viehtrieb... |
Und ich hab endlich verstanden, was eigentlich ein
Rodeoclown ist… Ich hab das Wort vorher oft gehört, dachte aber immer das wäre
jemand, der auf der Tribüne rumläuft und Späße macht, oder dass es den gar
nicht gibt. Jetzt habe ich gesehen, dass das jemand ist, der in der Arena ist
und den Bullen ablenkt, sollte dieser auf den Reiter losgehen. Und der hat auch
die Hälfte des Entertainments gemacht, er hatte ein Mikro und hat die ganze
Zeit Witze gerissen, hat getanzt, die ganze Arena unterhalten und insgesamt
einen großen Beitrag zur Show geleistet. Also wiedermal eine Wissenslücke
geschlossen…
Gegen Ende des Rodeos hat Miriam dann nochmal eine ihrer
Fragen gestellt, die mich dann sprachlos zurücklassen… Sie hat mich gefragt,
warum denn nur Männer die Bullen reiten, und keine Frauen. Ich hab dann von „zu
gefährlich“ und „zu großes Risiko“ gefaselt, und davon dass Frauen vielleicht
manchmal ein bisschen klüger sind und kein Bedürfnis verspüren, sich auf ein
wildes Tier zu setzen in der Hoffnung nicht zertrampelt zu werden. Miriam hat
dann ganz trocken gesagt: „Mama, ich glaube Männer wollen einfach mehr
gewinnen.“ Wahrscheinlich kommt das der Wahrheit näher als alle meine
Erklärungsversuche.
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Die Dame war etwas angesäuert, als sie merkte, dass wir ihr Schild nicht wirklich ernst genommen haben... |
Zum Schluss möchte ich euch natürlich nicht die Geschichte
meines Gürtels vorenthalten. Ich hatte mir in Denver eine neue Hose gekauft, und
dazu brauchte ich einen neuen Gürtel. Wo könnte ich den besser kaufen, als auf
der Viehschau dachte ich mir, und es gab auch unzählige Stände mit Lederwaren.
Als ich dann endlich einen gefunden hatte, der mir gefiel, passte und
erschwinglich war, bin ich also mit meiner Beute zur Kasse. Dort habe ich dann
das folgende Schild gesehen: „Made in North America, not mainland communist
China“. Eigentlich wäre das für mich fast ein Grund gewesen, den Gürtel doch
nicht zu kaufen, andererseits ist es natürlich schön, jetzt einen echt
Amerikanischen Gürtel zu besitzen :-). Allerdings scheint der Gürtel auch ein
Bewusstsein zu haben, auf der Nachhaltigkeitskonferenz, die ich in Portland besucht habe, hat er die
ganze Zeit gequietscht, ich glaube das war ihm nicht geheuer… Und seitdem
rätseln Laura und ich auch, was denn „island China“ ist, wenn offensichtlich „mainland“
so viel schlimmer ist… Also wenn ihr dazu Ideen habt, bitte bringt Licht in das
Rätsel!