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Sonntag, 30. September 2012

Vier Meetings und eine Beerdigung

 Wahrscheinlich haben sich einige von Euch schon gewundert, warum ich in der letzten Zeit nicht mehr so viel geschrieben habe. Der simple Grund ist, dass ich einfach keine Ruhe mehr hatte, mich  hinzusetzen. So langsam wird aber alles wieder ein wenig entspannter, so dass ich in Zukunft hoffentlich wieder mehr schreiben kann. 

Alina und Miriam beim Fruehstueck

Seit ungefähr zwei Wochen haben wir volles Haus in Kaule, es sind im Moment sechs Volontär hier.  Alina bleibt als Weltwärts Volontärin ein Jahr, Malte bleibt sechs Monate, und Ole, Jannik, Sebastian und Maren bleiben jeweils etwas kürzer. Die sechs sind eine riesen Hilfe, seitdem sie da sind haben wir es geschafft, den Ententeich zu reparieren, den Hühnerstall wieder aufzubauen und einen Großteil der Beete wieder in Stand zu setzen. Ich hatte mich schon total daran gewöhnt, in einem kleinen Urwald zu wohnen und bin jeden Morgen wieder aufs Neue überrascht, wie anders das Demozentrum aussieht, wenn endlich mal das Unkraut gejätet wurde… 

Malte und Sebastian reparieren den Huehnerstall und mittlerweile haben wir schon vier Huehner
Ole und Jannik haben ihren gruenen Daumen entdeckt...

Leider heißt volles Haus auch, dass Miriam und ich ausziehen mussten. Wir haben uns schräg gegenüber ein kleines Zimmer bei einer nepalischen Familie genommen, so dass wir es nicht weit haben. Wir verfügen jetzt sogar über den unsäglichen Luxus eines Teppichs in unserem Zimmer. Leider ist das Bett für mich ca. 10 Zentimeter zu klein, und ich habe auch nach fast drei Wochen hier noch keine wirklich bequeme Schlafposition gefunden. Ich dachte, mit dem Alter schrumpft man wieder, aber wahrscheinlich ist es zu optimistisch, damit in den nächsten zwei Monaten zu rechnen.  Neben dem Teppich haben wir aber auch einen Balkon und sehr nette Vermieter, so dass Miriam und ich uns hier wohl fühlen.
In den letzten Wochen hat für mich ein Meeting das nächste gejagt, von ganz normalen im Buero über Marathonmeetings mitten im Wald (unglaubliche sechs Stunden kann sowas dauern) bis hin zu obskuren Treffen in einem Schuhladen mit einem Bruder eines wichtigen Politikers. Heute war gefühlt der erste Tag seit Ewigkeiten, an dem ich einfach mal normal arbeiten konnte und nicht irgendwas Besonderes war. Diese ganzen Meetings haben oft auch in Kathmandu stattgefunden, so dass ich auch extrem viel unterwegs war.
Als Ergebnis kann ich viele neue wichtige Kontakte und vor allem mein Visum vorweisen, was ein riesen Schritt nach vorne ist. Ohne die Hilfe von Tilak, dem Vorsitzenden von Kaule ev Nepal hätte ich das glaube ich jedoch nicht so schadlos überstanden, ich war mehrmals kurz davor, über den Schreibtisch zu springen und den dort sitzenden Beamten zu erwürgen, wovon er mich dann abgehalten hat. Das ganze fing bei der Uni an, dort musste ich den Status eines "affiliated researchers" beantragen. Nach einem Versuch, bei mir den vierfachen Preis zu kassieren, den ich aber noch relativ einfach abwehren konnte habe ich dann nach drei Mal vorsprechen diesen Status bekommen und einen Brief für das Bildungsministerium. Ich hab mich dann mit Tilak dort verabredet, um gemeinsam meine Unterlagen dort abzugeben, hat auch alles geklappt, wir sind reingelaufen und sogar bis zum (ehemals…) richtigen Buero vorgedrungen, bis uns mal jemand gesagt hat, dass das ganze Ministerium zum anderen Ende der Stadt in den Regierungskomplex verlegt worden ist. Auf die Idee, das Schild vorne abzuhängen ist aber niemand gekommen…
Wir sind dann zum neuen Standort gefahren und mit dem Brief von der Uni auch ohne Probleme reingekommen. Dort war alles easy, ich sollte am nächsten Tag wiederkommen und meinen Brief für die Immigrationsbehörde abholen. Dachte ich. Aber Pustekuchen, am nächsten Tag sind wir nämlich gar nicht mehr ins Ministerium rein gelassen worden. Wir hatten ja keinen Brief mehr, der uns dazu berechtigt, den hatten wir ja drinnen abgegeben. Wir haben ernsthaft zwei Stunden lang mit der Security rumdiskutiert, alle möglichen Leute angerufen und Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, aber lange Zeit sah es so aus, als gäbe es keine Möglichkeit mehr, meine Papiere wieder zu bekommen.  Wie gesagt, nach zwei Stunden haben dann die Wachposten irgendwann eingesehen, dass ich keine Gefahr für das Wohlbefinden des Premierministers darstelle und uns rein gelassen. Drinnen hat das Ganze dann zwei Minuten gedauert, eine Unterschrift und ich hatte mein Papier.  Ich war aber bereit für meine Einweisung, mein Geduldsvorrat für drei Monate war mit diesem Erlebnis aufgebraucht.  Das hat sich dann darin ausgedrückt, dass ich den Immigrationofficer sowas von angepampt habe, als er mir dann später erklärt hat, ich bräuchte nochmal eine Bankbescheinigung, diesmal über 5000 Dollar. Naja, mit Rumgemeckere kommt man hier aber nicht weiter, so dass ich wieder eine Woche warten musste, bis ich durch eine Überweisung meiner Eltern genug Geld vorweisen konnte. Nach nur zwei weiteren Besuchen bei der Einwanderungsbehörde und einem kleinen Durchdreher auf meiner Seite (dem glücklicherweise nur ein Taxifahrer zum Opfer gefallen ist…) war es dann endlich so weit, und mir ist mein Visum ausgestellt worden. Ich habe jetzt ein Jahr Zeit, mich von diesem Erlebnis zu erholen und neue Kraft zu tanken, bevor ich die gleiche Odyssee nochmal machen muss… Ich schwöre, ich werde mich nie wieder über die deutsche Bürokratie beschweren!

Vor mittlerweile fast einem Monat ist leider der Onkel meiner Übersetzerin Pema gestorben, und drei Wochen nach seinem Tod fand eine Feierlichkeit zu seinem Gedenken statt. Pemas Familie hat alle Freiwilligen und Miriam und mich eingeladen, so dass wir letzte Woche einen Tag in Kathmandu im buddhistischen Kloster hinter der größten Stupa Nepals Boudhanath verbracht haben. Auch wenn der Anlass traurig war, so war es doch ein schöner Tag und ich habe mich sehr gefreut, so viel Zeit mit Pemas Familie verbringen zu können. Miriam fühlt sich mit ihnen sowieso schon zu Hause und hat mehr Zeit mit Tshering verbracht als mit mir…



 


























Wir waren dann auch im Kloster wo die Mönche gebetet haben, und es war wirklich faszinierend, das mitzuerleben. Die Mönche saßen sich vor wunderschönen Buddhastatuen gegenüber, haben ihre Gebete gemurmelt und in bestimmte Abständen verschiedenste Instrumente gespielt, unter anderem einen riesigen Gong und lange trompetenartige Instrumente (wie in Sieben Jahre in Tibet…), und das Ganze hat eine total friedliche Atmosphäre erzeugt.  Miriam war das aber eher unsympathisch, ich glaube, es hat ihr ein bisschen Angst gemacht. 

Mit Pemas Sohn Pasang

Auf dem Rückweg habe ich mich dann im Straßengewirr total verlaufen und stand plötzlich vor der großen Stupa. Die hatte ich ja schon an meinem ersten Tag gesehen, aber jetzt mit blauem Himmel und immer noch mit dem Eindruck aus dem Kloster im Kopf war das irgendwie nochmal was ganz anderes.
Bevor mein Eintrag jetzt noch länger wird, versuche ich mal zum Ende zu kommen. Ich kann jedoch sagen, dass Miriam und ich uns hier immer mehr zu Hause fühlen und dass es uns sehr gut geht. Nepal ist ein wunderschönes Land mit wunderbaren Menschen, und ich bereue meine Entscheidung kein Stück. Wir sind sehr glücklich, auch wenn uns Deutschland und unsere Familie und Freunde natürlich fehlen.

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