Nepal ist in den letzten drei Jahren so etwas wie ein zu
Hause für Miriam und mich geworden und ich nehme natürlich großen Anteil an
aktuellen Entwicklungen im Land. Daher heute mal ein etwas anderer Beitrag…
Wenn ich das von hier aus richtig mitbekomme, so war die
internationale Presse direkt nach dem Erdbeben voll mit Horrornachrichten und
Bildern von Toten und eingestürzten Tempeln. So wichtig wie diese Bilder auch
am Anfang waren, um die Welt auf die Katastrophe aufmerksam zu machen, so
schnell wurde dann aber auch klar, dass dadurch eine Katastrophe ähnlichen
Ausmaßes angerichtet wurde, nämlich der komplette Einbruch des Tourismus. Also
bildeten die örtlichen Reiseveranstalter schnell eine Task Force um eine neue
Nachricht in die Welt zu bringen: Nepal ist sicher. Man kann trotz des
Erdbebens nach Nepal reisen und eine wundervolle Zeit verbringen, es sind nur
14 Distrikte betroffen, der Wiederaufbau läuft, alles kein Problem. Für mich
gibt es aber auch noch eine andere Dimension des Reisens nach Nepal – Nepal ist
jetzt anders.
Merkwürdigerweise haben in den Wochen nach dem Erdbeben zum ersten Mal Blumen geblüht, die ich am Demozentrum gesät hatte... |
Wer jetzt nach Nepal reist, wird das Land ganz neu entdecken
und mit Sicherheit andere Erfahrungen machen, als auf vorherigen Reisen. Gerade
jetzt kann man Zeuge des Wiederaufbaus und auch des Neuaufbaus werden und eine
Kultur ganz anders und neu kennenlernen, und das ist ein Erlebnis für sich.
Eine nepalesische Eigenschaft, die mich bis jetzt in meiner
Arbeit immer wahnsinnig gemacht hat, ist die Eigenschaft, so viele Dinge
einfach zu akzeptieren. Während ich gelernt habe, dass ich nur hart genug
arbeiten muss, um zu erreichen was ich möchte, so glauben die meisten Menschen
hier an so etwas wie das Schicksal und dass die Dinge passieren, wenn sie passieren
sollen. Dass das die Arbeit in einem Entwicklungsprojekt schwierig machen kann,
muss ich wohl nicht einzeln erklären. Im Moment bin ich aber gerade auf diese
Eigenschaft sehr neidisch und wünschte, ich hätte mir in den letzten drei
Jahren etwas mehr davon angeeignet. Während ich immer noch mit dem Erdbeben
hadere, auf dass ich nun mal keinerlei Einfluss hatte, nehmen meine
nepalesischen Freunde es eben einfach hin und gucken nach vorne. Gerade jetzt
kann man viel über Akzeptanz lernen und vor allem die positiven Seiten erleben.
Auch herrscht im Moment eine besondere Art der positiven
Energie. Das Erbeben war – jedenfalls in Kaule – so etwas wie ein Gleichmacher,
jeder hat sein Haus verloren, jeder ist in einer ähnlichen Position. Plötzlich
arbeiten Menschen zusammen, die das vorher niemals getan hätten und Pläne erscheinen
möglich, die vor dem Erdbeben wie Wahnsinn erschienen. Leute die mich vorher
auf der Straße nicht gegrüßt haben möchten jetzt mit uns zusammenarbeiten und
zum ersten Mal haben ich das Gefühl, dass wirklich das ganze Dorf versteht, wie
wichtig Bäume sind, da man täglich sehen kann, was Erosion anrichtet. Auch wenn
ich natürlich weiß, dass persönliche Interessen nicht plötzlich verschwunden
sind, so gibt es jetzt doch eine große Chance, die Weichen anders zu stellen
und in Zukunft mit einer solidarischeren Gemeinschaft zu arbeiten.
Damai ist wie immer zu Späßen aufgelegt... :-) |
Mitzuerleben, wie die Nepalis ihr Land – in Abwesenheit der
Regierung – mit viel Improvisation wieder aufbauen möchten und Pläne schmieden,
ist ein Erlebnis an sich. Die Widerstandsfähigkeit dieser Menschen ist
außergewöhnlich und neben den Nashörnern, den Tempeln und den Bergen eine
Attraktion an sich.
Still smiling... |
Ich möchte hier keineswegs die Dramatik des Erdbebens runter
reden, die steckt uns allen noch in den Knochen und findet immer wieder ihren
Ausdruck. Kein Treffen mit alten Bekannten läuft ohne „Earthquake talk“ ab und
wir zucken weiterhin bei lauten Geräuschen zusammen. Es hat sich auch nichts
daran geändert, dass viele Menschen -
vor allem in den Dörfern – jetzt vor dem nichts stehen und Unterstützung
händeringend benötigen. Unterstützung die die Regierung nicht gibt, da diese
sich im Moment in Streitereien über die Verfassung aufreibt und das Land in die
nächste Krise getrieben hat. Aber vielleicht eigne ich mir doch mittlerweile
ein bisschen nepalesische Gelassenheit an und sehe das positive, das
faszinierende, und das hoffnungsvolle. Daher finde ich den derzeitigen Slogan
falsch – nicht nur trotz des Erdbebens sollte man nach Nepal fahren, sondern
wegen! Nur jetzt gibt es die Chance, eine ganz andere Seite des Landes
kennenzulernen.
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