In meinen letzten Blogbeiträgen habe ich ja schon manchmal auf die aktuelle
Krise in Nepal verwiesen, aber so richtig viel dazu geschrieben habe ich ja
noch nicht. Ich glaube, in
Deutschland und Europa kommt das gar nicht in der Presse an, aber hier in
Nepal schlindern wir gerade in hohem Tempo auf die nächste Katastrophe nach dem
Erdbeben zu… Seit mehr als zwei Monaten sind die Grenzen nach Indien – aus etwas
undurchsichtigen Gründen – blockiert, und da Nepal so gut wie alles, von
Medikamenten über Nahrungsmittel bis zu Zement und Benzin aus Indien bezieht,
ist das ein großes Problem. Der wirtschaftliche Schaden im Land ist jetzt wohl
schon größer als der, der durch das Erdbeben verursacht wurde.
Nach dem Erdbeben
haben die Politiker aus der Regierung aus irgendeinem Grund gemeint, sie
müssten jetzt - nachdem es acht Jahre lang nicht geklappt hat - ganz schnell
die neue Verfassung durchdrücken. Die ist nicht zur allgemeinem Zufriedenheit
ausgefallen, und vor allem der Süden (Terai) fühlt sich benachteiligt, da die
administrative Aufteilung der Provinzen so ausfällt dass sie sehr
wahrscheinlich nicht proportional zum Bevölkerungsanteil Mitspracherechte
bekommen. Und wie das so in Nepal ist, gab es dann Streik und gewaltvolle
Proteste, fast 50 Menschen sind bei Ausschreitungen ums Leben gekommen. Das war
Anfang September. Da die
Menschen im Süden eine enge Bindung zu Indien haben und oft indischer Herkunft
sind, hat Indien an dem Konflikt auch ein großes Interesse und hat sich wohl
gedacht, dass sie mit ein bisschen Druck den Prozess beschleunigen könnten. Es
sollten also Erweiterungen der Verfassung gemacht werden, und dann hätte alles
gut werden können. Um das eben zu unterstützen hat Indien aber "unoffiziell" die
Grenzen dicht gemacht, keinerlei Transporter
mehr durchgelassen und sich diplomatisch mehr als ungeschickt verhalten. Das
hat natürlich die Nepalische Seite entzürnt und einen extremen Nationalismus
befeuert, da das kleine Land sich in seiner Souveränität bedroht fühlt. Und so hat sich in
den letzten Wochen alles hochgeschaukelt und die Grenze bleibt dicht.
Einer hat noch Sprit, der nächste braucht es... |
Schlange stehen für Benzin... |
... und Kochgas |
Ich möchte mir überhaupt nicht anmaßen zu behaupten, ich würde diesen Konflikt wirklich verstehen oder nachvollziehen können. Ich glaube auf jeden Fall, dass die Madhesis, die die Grenze blockieren Grund zum protestieren haben, die neue Verfassung ist weit entfernt davon perfekt zu sein und Gleichberechtigung zu garantieren. Aber ich verstehe die gewählten Mittel nicht. Diejenigen die leiden sind nicht die Eliten, die von den Madhesis beschuldigt werden, sie zu unterdrücken. Diejenigen die leiden sind diejenigen, die sowieso schon arm sind. Diejenigen, die dieses Jahr ihr Haus, ihre Liebsten und ihr Einkommen verloren haben und sowieso schon im Ausnahmezustand leben.
Meine Betroffenheit ist eine sehr persönliche, da
diese Krise auch mich und uns sehr trifft. Mit dem Erdbeben bin ich irgendwie
klargekommen, wir haben zwar unser Restaurant, das Büro und Tilaks Haus
verloren und damit so ziemlich alles, was wir uns in den letzten drei Jahren
erarbeitet haben, aber das konnte ich irgendwie als Schicksal akzeptieren. Aber
diese Krise ist menschgemacht. Wir bekommen jetzt kein Fischfutter mehr, da dieses
– wen wundert´s – auch aus Indien kommt, und somit stehen wir jetzt kurz davor,
unsere letzte Einkommensquelle zu verlieren. Wir können kein Haus für Tilaks
Mutter bauen, da wir Baumaterialien – falls wir sie kaufen könnten – nicht nach
Kaule transportieren können und somit muss seine Familie diesen bitterkalten
Winter in einem Blechverschlag verbringen. Ich kann gerade kaum ausdrücken, wie
frustriert ich bin.
Vor ein paar Wochen habe ich einen Artikel darüber
geschrieben, wie hilfreich die Fähigkeit der Nepalis ist, Dinge einfach
akzeptieren zu können. Nach dem Erdbeben war dies meiner Meinung nach eine
Eigenschaft, die sehr viel dazu beigetragen hat, dass das normale Leben weiter
gehen konnte. Jetzt bin ich jedoch wieder an dem Punkt angelangt, wo ich mich
nur noch frage warum die Leute nicht aufstehen und protestieren. Einige wenige
spielen ein Machtspiel und tragen ihre Konflikte auf dem Rücken von Millionen
von Nepalis aus, die sich das fast ohne Gegenwehr gefallen lassen. Manchmal ist
Akzeptanz gut, aber man kann auch nicht alles akzeptieren!
Ich sehe noch nicht ganz wie die Religion reinspielt. Modi ist fundamentalistischer Hindu und die neue Verfassung ist säkular, für mich Konfliktpotential. Das Ganze ist nur frustrierend!
AntwortenLöschenJa, es spielen mit Sicherheit sehr viele Faktoren eine Rolle, Religion sicherlich auch. Aber insgesamt habe ich immer mehr das Gefühl, dass sich sowohl die Nepalische als auch die Indische Seite einfach verkalkuliert hat und zu hoch gepokert hat und diejenigen, die es jetzt ausbaden müssen eben die einfachen Menschen sind die in Blechhütten über den Winter kommen müssen...
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